Jana E. Hentzschel
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Die erste Osterhäsin

Es gab einmal vor vielen Jahren
ein spannendes Gerichtsverfahren.

Die junge Häsin Elli Klein
wollt gerne Osterhäsin sein;
bewarb sich auch ganz akkurat
beim Osterhasen-Aufsichtsrat.

Doch dieser lehnte sofort ab –
mit der Begründung kurz und knapp:
„Wir danken, doch bedauern sehr;
denn diese Arbeit ist zu schwer,
dass sie ein Hasenmädchen schafft;
da braucht es echte Rammlerkraft.“

Das akzeptierte sie so nicht.
Man traf sich deshalb vor Gericht.

Die Häsin sprach dort: „Euer Ehren,
dagegen möchte ich mich wehren.
Das soll nur was für Kerle sein?
Das geht in meinen Kopf nicht rein!
Ich bin sehr klug, bin irre schnell
und kreativ so generell.“

Der Richter war ein grauer Hase
mit weißen Ohren, weißer Nase.
Er nickte erst und sah dann stumm
zum Sprecher von dem Gremium.

„Ihr sucht doch Nachwuchs, ist das wahr?“,
begann er seinen Kommentar.
„Ich las vor kurzem den Bericht
von der gewünschten Osterpflicht,
dass jeder Has, ob groß, ob klein,
soll einmal Osterhase sein.“

„Wir suchen immer, das ist richtig;
doch ist uns Männlichkeit sehr wichtig.“

„Ist’s aber nicht schon längst erwiesen,
dass Häsinnen im Wald, auf Wiesen
ein bisschen größer sind als wir
und stärker als manch männlich Tier?“

Dem Sprecher wurde flau im Magen.
Ihm fiel nichts ein. Was könnt er sagen?

Der Richter wusste nun Bescheid.
Für den Beschluss war‘s an der Zeit.

Er sprach mit Blick zum Gremium:
„Die Häsin Klein macht Praktikum.
Ihr weist sie ein sehr umfangreich
in jeden Tätigkeitsbereich.
Und nach genau achthundert Stunden
wird hier sich wieder eingefunden.
Dann wird mir frank und frei berichtet,
wie Häsin Klein es hat verrichtet.“

Der Hammer fiel, so wars entschieden.
Die Häsin schmunzelte zufrieden;
und sie erhielt am nächsten Tag
den Osterpraktikums-Vertrag.

Nun konnte sie sich ausprobieren;
konnt Eier malen und verzieren,
sie heil und sicher transportieren,
in dunkler Nacht versteckt platzieren;
die Wege gut organisieren,
den Navigator programmieren
und ihren Körper stets trainieren.

Die meisten Rammler fanden‘s gut,
dass eine Häsin hat den Mut.
Von andren kamen Sprüche an,
die typisch für den Machomann,
und manche sah man einfach schweigen …
mit dem Versuch, sie zu besteigen.

Doch Elli machte niemals schlapp,
sie wehrte jeden Angriff ab.

Dann war vorbei das Praktikum.
Und siehe da, vom Gremium
gabs unbefristet den Vertrag.
Berühmt war sie mit einem Schlag,
denn jeder kannte nun genau
die erste Osterhasenfrau.

Der Richter lobte das Gelingen,
dass Mädchen nun auch Eier bringen.

Das alles ist sehr lange her
und seitdem wurden es stets mehr.

Wer nun zu dir kommt dieses Jahr
(ob Has, ob Häsin), ist nicht klar.
Das bleibt geheim, so ist das Brauch.
Viel wichtiger ist schließlich auch,
die buntgefärbten Schokoeier
versüßen uns die Osterfeier.

***